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Beitrag vom 23.07.2010
Nava Semel - Liebe für Anfänger
Claire Horst
Nein, kein kitschiger Liebesroman verbirgt sich hinter dem romantischen Titel. Das Zielpublikum der israelischen Autorin sind Jugendliche, und so nähert sie sich dem Thema der ersten Liebe sehr ...
... sensibel an.
Ihre sieben Kurzgeschichten sind auch für erwachsene LeserInnen interessant - denn wer erinnert sich nicht an die eigene erste Liebe? Leise und bedacht lässt Semel ihre ProtagonistInnen erzählen. In diesen Geschichten gibt es keinen großen Knall, wenig Action. Wer auf das große Drama hofft, auf Türenknallen, Liebesschwüre und Eifersuchtsanfälle, wird wahrscheinlich enttäuscht sein. Was der Autorin aber wunderbar gelingt, ist das Nachzeichnen der großen Emotionen, die die erste Liebe auslöst.
Unsicherheit und Schüchternheit, Beklemmungen und zugleich nie gekannte Hochgefühle beschreibt sie so einfühlsam, dass auch erwachsene LeserInnen wieder in die Zeit der Pubertät eintauchen können. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Figuren stark: Jungen und Mädchen sind vertreten, vom Internetzeitalter bis zurück in die britische Mandatszeit reichen die Geschichten. In einem gleichen sich jedoch alle Texte, in der großen Bedeutung der ersten Liebe und vor allem von deren Beschwerlichkeiten.
Denn anders als viele JugendbuchautorInnen hat Semel nicht vergessen, welche Hürden Jugendliche sich selbst auferlegen können in ihrem Bestreben, der Bezugsgruppe zu gefallen. Besonders eindrucksvoll zeigt das die Geschichte "Das Poster von Elvis", in der ein Mädchen aus lauter Coolness und Angst vergisst, ihre Liebe zu zeigen und stattdessen ins Mobbing des geliebten Jungen verfällt. "Man sollte sich schämen, wenn man verliebt ist. Ich weiß nicht, warum, aber ich dachte, alle Leute würden das glauben."
Dass ein Schüler lieber den Esel in Shakespeares Mittsommernachtstraum spielt als eine der glamouröseren Figuren, ist schnell erklärt: Nur der Esel wird von der verzauberten Königin Titania geküsst. Und die wird von Lyra gespielt, in die er verliebt ist. Didi wiederum ist in den hübschen Tal verliebt und bittet die Großmutter um Hilfe beim Schreiben eines Liebesbriefes. Dass Didi wie Tal ein Junge ist, stellt sich erst am Ende der Geschichte heraus. Das Schöne an dieser Geschichte ist zugleich der größte Kritikpunkt an Semels Texten. Zwar kennt Didi die Schwierigkeiten, die auf ihn warten: "Die Liebe zwischen Tal und mir ist nicht selbstverständlich, auch in unseren aufgeklärten Zeiten nicht. Im finsteren Mittelalter hätte man wohl mit Steinen nach uns geworfen oder uns aus der Stadt gejagt oder vielleicht sogar hingerichtet." Doch Didi hat mit seiner Großmutter, die zu ihnen hält, großes Glück. Und damit ist die Geschichte beispielhaft für die meisten in dieser Sammlung: Irgendwie wird doch alles wieder gut.
AVIVA-Tipp: Die hier beschriebenen Jugendlichen sind wie ihre erwachsenen Bezugspersonen sensibel, emotional und feinfühlig. In ihre Gefühlswelt lässt Semel ihre LeserInnen schnell eintauchen, ihre Figuren sind durchweg glaubwürdig. Und doch: Zwar stehen sie zum Teil vor großen Schwierigkeiten, doch alles bleibt in einem erträglichen Rahmen. An keiner Stelle kommt es zu einem wirklichen Konflikt, drücken sich große Verzweiflung oder echte Hochgefühle aus. Nava Semels Charaktere sind sympathisch, doch vielleicht ein winziges bisschen zu sympathisch. Als erwachsene LeserIn liest man das gerne, aber ob sich Jugendliche tatsächlich in dieser Bedachtheit wiederfinden?
Zur Autorin: Nava Semel, geboren 1954 in Tel Aviv, studierte Kunstgeschichte. Sie hat als Journalistin, Kunstkritikerin und Fernseh- und Radioproduzentin gearbeitet. Für ihr literarisches Werk wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Sie ist Mitglied des Massua Institute of Holocaust Studies und gehört zum Direktorium des Yad Vashem-Museums.
Zur Illustratorin: Gerda Raidt, geb. 1975 in Berlin, studierte freie Grafik an der Burg Giebichenstein in Halle, später Illustration an der HGB Leipzig bei Volker Pfüller, bei dem sie anschließend auch ein Meisterschülerstudium absolvierte. Seit 2004 arbeitet sie als freie Illustratorin. (Quelle: Verlagsinformationen)
Gerda Raidt im Netz: www.gerda-raidt.de/
Nava Semel
Liebe für Anfänger
Sieben Geschichten
Bebildert von Gerda Raidt
Aus dem Hebräischen von Mirjam Pressler
Jacoby&Stuart, erschienen Februar 2010
128 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-941087-82-8
14,95 Euro
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