Ilse Eliza Zellermayer - Prinzessinnensuite. Mein Jahrhundert im Hotel - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Literatur



AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 26.07.2010


Ilse Eliza Zellermayer - Prinzessinnensuite. Mein Jahrhundert im Hotel
Miriam Hutter

Ein Jahrhundert im bekannten Berliner Hotel am Steinplatz: das verspricht eine amüsante Lektüre zu werden. Doch weit gefehlt, statt Unterhaltsamkeit, liefert dieses Büchlein nur gähnende Langeweile.




Die 90-jährige, in Berlin geborene Opernmanagerin, legt mit "Prinzessinnensuite" nun ihr zweites Buch vor. Wie in "Drei Tenöre und ein Sopran" erzählt Zellermayer aus ihrem Leben, in dem sie mit zahllosen Größen der künstlerischen Welt zusammengetroffen ist.

Ilse Zellermayer ist in dem berühmten Hotel am Steinplatz aufgewachsen, das, 1906/07 von August Endell erbaut, heute einer der wenigen erhaltenen Jugendstilbauten in Berlin ist. 1916 hatte Max Zellermayer, der Vater von Ilse, das Gebäude von einem Kaiserlichen Offizierskasino zu einem Hotel umgebaut, das nach und nach eine immer illustrere Klientel anzog. Vladimir Nabokov, Yehudi Menuhin, Liselotte Pulver, Romy Schneider und Heinrich Böll gehörten zu den Stammgästen dieses Hauses.
Grund genug also, zur Feder zu greifen und ein wenig aus dem Nähkästchen zu plaudern, hat sich Ilse Zellermayer da wohl gedacht.
Doch was sie hier zu Papier gebracht hat entspricht weniger einer lebendigen Schilderung ihrer Erlebnisse im Hotel Steinplatz, als einem bloßen name-dropping. Den berühmten Namen werden dabei einige hübsche Adjektive vorangestellt, wie "gutaussehend", "wunderschön", "beste/r ... weltweit", "intelligent", "beliebte"... Ein Universum von bildschönen Frauen und großen, gutaussehenden Männern, in dem aber leider nur sehr wenig (Aufregendes) geschieht, entsteht so vor dem inneren Auge der Leserin. Die Schilderung der Begegnungen bleibt dabei merkwürdig blass. Auf die mit sich wiederholenden Adjektiven ausgestatteten Namen folgen kleine Anekdötchen, die sich gerne auch mal nur darauf reduzieren, von einem Gast zu berichten, der keinen Lärm machte, oder darauf, dass die Drehbuchautorin Thea von Harbou immer im Bett schrieb.

"Einige tragische, anekdotische oder anrührende, in jedem Fall sehr persönliche Episoden möchte ich gern wiedergeben," schreibt Zellermayer selbst. Doch fehlt es diesen Episoden gerade an Einfühlsamkeit, Anteilnahme und Wärme. Es ist, als kenne sie die Geschichten allesamt auch nur vom Hörensagen und die Menschen nur vom Sehen.

So ändert sich auch der Erzählton nicht, ob es nun um traurige und sogenannte "amüsante" Geschichten geht. Das Schicksal des jüdischen Vaters, der nach seiner Vorladung bei der Gestapo an einem Gehirnschlag starb, der Tod ihres ersten Kindes: seltsam unpersönlich fügen sich diese traumatischen Ereignisse in die Klatschgeschichten ein.
Weder Autobiographie, noch ein wirkliches Zeitzeuginnenendokument ist "Prinzessinnensuite", vielmehr eine Aneinanderreihung von persönlichen Geschichtchen, denen "der Biss" fehlt, zu belanglos und brav gerät ihre Wiedergabe.

Die Autorin, die zwei Weltkriege und die Teilung und Wiedervereinigung Deutschlands miterlebt hat, hätte sicherlich so viel mehr zu erzählen gehabt. Natürlich geht es in der "Prinzessinnensuite" auch um das glamouröse Berlin der Weimarer Republik, das - für immer verloren - nur in Erzählungen noch lebendig werden kann. Wenngleich an manchen Stellen ein klein wenig wirklich erlebte Zeitgeschichte hindurchzublitzen vermag, gelingt es Zellermayer dennoch nicht, diese wirklich anschaulich zu machen.
So misslingt der Autorin mit ihrem Buch beides: eine spannende Lebensgeschichte, die durch ihren Hotelhintergrund mit zahllosen Schicksalen in Berührung kam zu erzählen, und eine kritische Reflektion über das Jahrhundert, in dem sie gelebt hat.

AVIVA-Fazit: Eine belanglose kleine Plauderei, so ließe sich "Prinzessinnensuite" zusammenfassen. Zwar ist die Geschichte von Ilse Zellermayer keineswegs uninteressant, doch gelingt es ihr nicht, diese auf spannende Weise wiederzugeben. Statt Emotionen finden sich jede Menge Superlative, welche die Beschreibungen seltsam unpersönlich aussehen lassen. An das 1929 erschienene "Menschen im Hotel" von Vicki Baum kann "Prinzessinnensuite" nicht heranreichen.

Zur Autorin: Ilse Eliza Zellermayer 1920 in Berlin geboren, führte nach ihrer Ausbildung in klassischem Gesang eine renommierte Opernagentur, die Weltstars wie Luciano Pavarotti, Mirella Freni, Anna Moffo und Franco Corelli vertrat. Sie lebt am Groß Glienicker See bei Berlin. (Quelle: Verlagsinformation)


Ilse Eliza Zellermayer
Prinzessinnensuite: Mein Jahrhundert im Hotel

Aufbau Verlag, erschienen Juni 2010
Gebunden, 224 Seiten
19,90 Euro
ISBN: 978-3351027209

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:


Die Karrieren der Vicki Baum von Nicole Nottelmann

Pariser Platz 13 von Vicky Baum




Literatur

Beitrag vom 26.07.2010

AVIVA-Redaktion