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Beitrag vom 01.08.2010
Susanne Kippenberger - Am Tisch
Jana Muschick
Die Journalistin entführt neugierige LeserInnen an die Tische kulinarischer Bohémiens. Bei ihr reichen sich PionierInnen der Küche mittels der Kunst des Essens, Trinkens und Genießens den Kochlöffel
Essen in allen Medien
Ob Zeitschrift, Kochbuch, Kochsendung oder Gourmetreisen – überall wird gespeist und genossen. Die Entdeckung der Lebenslust mittels ungewöhnlicher Koch- und Essenskünste ist schon lange Susanne Kippenbergers Metier: für die Sonntagsbeilage des Berliner Tagesspiegel ist sie für die Seite "Essen und Trinken" verantwortlich und hat in den vergangenen Jahren viele Artikel über Genuss und Nüchternheit verfasst.
In ihrer Essaysammlung "Am Tisch" vereint Kippenberger unterschiedliche Stimmen aus ihrer redaktionellen Arbeit. Unter den zu Wort kommenden befinden sich die amerikanische Essensessayistin M.F.K. Fisher, die amerikanische Kochbuchautorin Julia Child, der Verleger Klaus Wagenbach oder die deutsche Schriftstellerin Katja Lange-Müller.
Ungewöhnliche Genießerin
Katja Lange-Müller ist unter all den in der Anthologie versammelten wohl die extravaganteste Genießerin. In der DDR großgeworden, wegen unsozialistischen Verhaltens von der Schule geworfen und in den 1980er Jahren nach Ulan-Bator strafversetzt, war sie gezwungen, ein Gericht der besonders ekeligen Art zu kosten: notgeschlachtetes und unter der Erde gelagertes Lamm, voller Maden, zubereitet mit Zwiebeln und Türkenbundlilien – zu einer Art Pudding verkocht. Als sie erfuhr, was sie da aß, gab sie das Gegessene sofort von sich. Diese Erfahrung hat sie aber nicht davon abgeschreckt, bis heute alles zu kosten, was ihr angeboten wird. In China aß sie sich durch die Küchen, ohne die Speisekarte lesen zu können – nur mit einem Zettel, einem Stift und ihren Zeichenkünsten bewaffnet.
Schon als Kind probierte die Schriftstellerin alles Mögliche – etwa die von der Großmutter heiß geliebten "Karnickelköppe". Selbst bezeichnet sie ihre Experimentierlust als "Hang zur kleinen, kulinarischen Perversion".
Essays mit Schmackes
Detailverliebt, fabulierend und mit viel Hingabe wirft Susanne Kippenberger Licht auf die leckeren bzw. unappetitlichen Vorlieben ihrer GesprächspartnerInnen. Mit Zitaten der vorgestellten Personen gewürzt, voll von irritierenden Erlebnissen – Froschschenkel oder sich noch bewegende Tintenfischärmchen – bis hin zu neugierig machenden Speisen und guten Weinen hat "Am Tisch" einiges zu bieten.
Im Anhang des Buches befindet sich ein besonderes Schmankerl: die besten Rezepte der vorgestellten KöchInnen und Lebemenschen sind mit genauen Vorgaben aufgelistet und reizen somit zum Nachkochen.
AVIVA-Tipp: Eine kulinarische Reise, die streckenweise durch die Detailfülle der Essays die Aufnahmefähigkeit der LeserIn etwas strapaziert – die dafür aber mit wunderbaren EssErlebnissen von SchriftstellerInnen, KöchInnen, WeinkritikerInnen oder auch Popstars der Kochszene viel Unterhaltsames zu bieten hat.
Susanne Kippenberger
Am Tisch. Die kulinarische Bohème oder Die Entdeckung der Lebenslust
Berlin Verlag, erschienen November 2009
Hardcover, 253 Seiten
ISBN-13: 978-3827008794
22,00 Euro