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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 09.12.2010


Angela S. Choi - Hello Kitty muss sterben
Britta Meyer

Wenn eine von ihren Eltern ständig entmündigte junge Anwältin und ein Hymenkorrekteur mit gemeingefährlichem Hobby zueinander finden, dann haben putzige kleine Comic-Kätzchen, Frauen, die sich...




... wie solche benehmen und alle anderen die Harmonie störenden ArtgenossInnen nichts zu lachen.

"Eine Woche vor meinem achtundzwanzigsten Geburtstag beschloss ich, mich selbst mithilfe eines Silikondildos zu entjungfern, der mit einer Schicht aus zweiprozentigem Lidocaingel eingeschmiert war."

Bücher die mit diesen Worten beginnen, lassen bei deutschen LeserInnen leicht den Eindruck entstehen, auf eine Art amerikanische Charlotte Roche gestoßen zu sein. Dies stellt sich hier allerdings schnell als Fehlanzeige heraus.

Fiona Yu ist eine junge Amerikanerin chinesischer Herkunft. Sie hat in Yale studiert und ist eine gut bezahlte Anwältin, sie kauft ihre Kleider bei Prada und geht in teuren Restaurants essen. Aber mit fast dreißig Jahren wohnt sie immer noch bei ihren Eltern, die sie hartnäckig für eine Versagerin halten, weil sie es noch immer nicht geschafft hat, sich einen netten chinesischen Jungen als Ehemann zu angeln. Ihr Vater versucht ständig und gegen ihren erklärten Willen, sie mit eben solchen Jungen zu verkuppeln. Als Fiona unter ungewöhnlichen Umständen – sie will sich ein Jungfernhäutchen einsetzen lassen, welches sie nie besessen hat – ihren alten Schulfreund Sean wiedertrifft, ändert sich ihr Leben. Endlich.
Die beiden verbindet eine halb verliebte, halb geschwisterliche, in jedem Fall aber asexuelle Beziehung, was beiden entgegenkommt: Fiona ist an Sex nicht interessiert und Sean hasst sexuell aktive Frauen so sehr, dass er sie, wie es Fiona schnell bemerkt, aber zu übersehen beschließt, reihenweise umbringt...

Die titelgebende erzniedliche Comic-Figur "Hello Kitty" (was im englischsprachigen Raum auch ein Slangbegriff für devote asiatische Frauen ist) symbolisiert für Fiona alles, was sie am traditionellen chinesischen Frauenbild leidenschaftlich verabscheut:

"Ich hasse Hello Kitty. Ich hasse sie, weil sie keinen Mund hat oder Reißzähne wie ein richtiges Kätzchen. Sie kann nicht fressen, eine Brustwarze oder einen Finger abbeißen, jemandem einen blasen, jemandem sagen, er soll seine Mutter ficken gehen oder sich selbst lecken. (...) Bloß krallenlos, zahnlos, stumm, mit dieser ruhigen, ausdruckslosen Miene und einer rosafarbenen Schleife obendrauf. Arme Hello Kitty."

Eine Frau sieht rosa. Die Kraft, eigenständig aus diesem Korsett auszubrechen, bringt sie nicht auf. Die Alternative zum braven Mädchenleben, die Schickeria San Francisco`s, ist mit ihrem sinnentleerten Konsumrausch ebenfalls keine echte Freiheit. Fiona steckt in ihrer Welt fest und den Weg dort heraus kann auch Sean ihr nicht abnehmen.

AVIVA-Fazit: Die wütende Zerrissenheit der Protagonistin zwischen amerikanischer und chinesischer Lebensweise wird durchgehend und nachdrücklich geschildert. Dennoch bleibt die Figur bei allem berechtigten Zorn unglaubwürdig und geht der Leserin mit ihrer Fixierung auf Luxusgüter und ihrer Unfähigkeit, endlich einmal die Herrschaft über ihr Leben zu übernehmen, gehörig auf die Nerven. Fionas frustrierte Gehässigkeit gegenüber jedem außer Sean ist zwar amüsant, doch nach spätestens der Hälfte des Buches fragt frau sich, wieso sie eigentlich die Misogynie ihres Elternhauses gegen die eines Serienmörders tauschen will.
Mord statt verspäteter Pubertät ist schließlich auch keine Lösung.

Zur Autorin: Angela S. Choi wurde 1977 in Hong Kong geboren, lebt in San Francisco und kann auf englisch ebenso dreckig fluchen wie auf kantonesisch. Sie hat, genau wie Fiona, in Yale studiert und einen Abschluss in Jura. Nachdem sie fast zehn Jahre in großen Anwaltskanzleien gearbeitet, und, genau wie Fiona, nahezu jeden Tag davon gehasst hatte, begann sie im Alter von 30 Jahren nicht zu morden, sondern zu schreiben. "Hello Kitty muss sterben" ist ihr erster Roman.

Angela S. Chois Website finden Sie unter: www.angelaschoi.com

Der Luchterhand Literatur Verlag gibt den LeserInnen auf seiner Seite die Möglichkeit, Hello Kitty selbst den Gnadenschuss zu verpassen: www.randomhouse.de

Angela S. Choi
Hello Kitty muss sterben

Originaltitel: Hello Kitty Must Die
Luchterhand Literaturverlag
1. Auflage, erschienen am 25. Oktober 2010
Paperback, Klappenbroschur, 288 Seiten
ISBN: 978-3-630-87339-8
14,99,- Euro



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Beitrag vom 09.12.2010

Britta Meyer