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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 12.12.2010


Giuseppina Vitale und Camilla Costanzo - Ich war eine Mafia-Chefin. Mein Leben mit der Cosa Nostra
Britta Leudolph

Giuseppina Vitale war die erste Bezirkschefin mit Befehlsgewalt in der Geschichte der Cosa Nostra. Gemeinsam mit der Journalistin und Drehbuchautorin Camilla Costanzo erzählt sie aus diesem ...




... fremden Leben.

Giuseppina wird Anfang der siebziger Jahre als jüngstes Kind in eine sizilianische Bauernfamilie hineingeboren. Ihre drei Brüder sind wesentlich älter als sie und schon erwachsen, während sie aufwächst. Ihre Schwester Nina ist zehn Jahre älter. Von Anfang an kommen ihr ihre Eltern mehr wie Großeltern vor, viel mehr respektiert sie ihre großen Brüder, die sie anhimmelt und denen sie überall hin folgt: "Sie brachten mir alles bei und gaben mir das Gefühl, beschützt zu sein. Nardo, Michele und Vito waren da, um auf mich aufzupassen, das taten sie wirklich, und zwar auf ihre Weise: Sie waren liebevoll und ungestüm, aber auch rabiat."

Sie muss aber auch früh lernen, was sie erwartet, wenn sie nicht tut, was die Brüder ihr auftragen oder gar widerspricht: nicht nur sie, sondern auch die Eltern und ihre Schwester bekommen die Brutalität der jungen Männer am eigenen Leib zu spüren – manchmal können sie danach kaum aufstehen. "Sie meinten jedes Wort genau so, wie sie es mit geschwollenen Halsadern und aus den Höhlen tretenden Augen brüllten. Es sei seine (des Vaters, Anm. d. Red.) Aufgabe gewesen, mich zu verprügeln, mich zur Vernunft zu bringen, mich daran zu hindern, die Familienehre mit Füßen zu treten. Und dann schlugen sie los. Sie prügelten ohne Gnade auf uns ein, auf ihn und auf mich." Sie lernt, dass sie nicht allein auf der Straße zu sehen sein soll, sie darf sich nicht schminken und keine eigenen Entscheidungen treffen, alles um die sogenannte Ehre ihrer Brüder nicht zu beschmutzen.

Über die Jahre wird Giuseppina immer wichtiger für ihre Brüder und deren Geschäfte mit der Cosa Nostra, sie erledigt Botinnengänge, vermittelt unter den Brüdern und besucht sie, wenn sie mal wieder untergetaucht oder inhaftiert sind. Das ändert sich auch nicht, als sie heiratet und Kinder bekommt. Als Nardo, Michele und Vito zeitgleich entweder im Gefängnis oder auf der Flucht sind, wird die junge Frau Bezirkschefin der Cosa Nostra, bis auch sie inhaftiert wird.

Giuseppina Vitales Geschichte liest sich wie ein nicht enden wollender Albtraum. Aus Loyalität zu und Angst vor ihren Brüdern verzichtet sie auf ein eigenes Leben. Ihre Versuche, sich zu wehren, scheitern kläglich. Erst im Gefängnis findet sie die Zeit, über sich und ihr Leben nachzudenken. Aus Liebe zu ihren Kindern packt sie über die Machenschaften ihrer Brüder aus und gilt seitdem für sie als "gestorben".

Zu den AutorInnen:

Giuseppina Vitale
, 1972 in Partinico/Sizilien geboren, war die erste Frau, die einem Clan der Cosa Nostra als Chefin vorstand. Sie hat nach ihrer Verhaftung als Kronzeugin ausgesagt und wurde dafür von ihrer Familie verstoßen. Giuseppina Vitale lebt mit ihren Kindern im ZeugInnenschutzprogramm irgendwo in Italien, weit weg von ihrer Familie und Sizilien.

Camilla Costanzo, geboren 1973, arbeitet als Journalistin und Drehbuchautorin.

AVIVA-Tipp: Giuseppina Vitale hat die Brutalität der Mafia am eigenen Leib zu spüren bekommen und selbst als Bezirkschefin grausam gehandelt. Hat sie jemals eine Wahl gehabt? Ihren Worten ist nach wie vor die Liebe zu ihren Brüdern zu entnehmen, auch wenn diese ihr das Leben zur Hölle gemacht und sie letztendlich verstoßen haben. Ihre Geschichte erlaubt tiefe Einblicke in die Keimzelle der Mafia, die patriarchale Familie, in der Frauen als Besitz betrachtet werden. Sie zeigt aber auch, dass diese kriminelle Organisation ohne Frauen nicht existieren kann: Frauen, die ihr Leben in den Dienst ihrer Männer stellen und sich bis zur Selbstaufgabe unterwerfen.

Ich war eine Mafia-Chefin. Mein Leben für die Cosa Nostra
Giuseppina Vitale mit Camilla Costanzo

Aus dem Italienischen von Julia Eisele
Originaltitel: Ero cosa loro. L´amore di una madre può sconfiggere la mafia
Verlag Deutsche Verlags Anstalt, erschienen September 2010
Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 192 Seiten
ISBN: 978-3-421-04442-6
17,99 Euro

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Literatur

Beitrag vom 12.12.2010

Britta Leudolph