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Beitrag vom 25.02.2011
Irina Liebmann - Die schönste Wohnung hab ich schon
Jana Muschick
"Was soll denn jetzt noch werden?", so der Untertitel dieser Berliner Couplets, die über die besondere Sicht auf das Leben und Beleben von Wohnräumen in der Hauptstadt erzählen.
Die Gedichte in "Die schönste Wohnung ..." sind in einem Zeitraum von 20 Jahren entstanden. Nach Prosawerken, wie "Berliner Mietshaus" oder "Wäre es schön? Es wäre schön. Mein Vater Rudolf Herrnstadt", darf die Leserin auch die lyrische und eigenwillige Stimme der Autorin Irina Liebmann entdecken.
Nachhaltige Alltäglichkeiten
Wer kennt sie nicht, die scheinbar belanglosen Begebenheiten des Alltags, die uns im Moment des Geschehens kaum berühren und unsere Gedanken später doch mit Wehmut an eine ferne Vergangenheit erfüllen. Die Schriftstellerin Irina Liebmann hat in ihrem Lyrikband "Die schönste Wohnung hab ich schon. Was soll denn jetzt noch werden?", all die Ereignisse versammelt, die im allein- und miteinander Leben passieren. Dabei ist die Autorin selbst eine sehr genaue Beobachterin. In einem Interview mit dem Deutschlandradio Ende Juli 2010 deutete sie schon vor der Buchveröffentlichung an, dass es "die Gedanken der Fußgängerin" sind, die ihr als Inspirationsquelle für ihre Romane sowie für diesen Gedichtband dienen.
Die Sammlung der Gedichte, Lieder und Prosaminiaturen beginnt mit einem Ausblick aus dem Fenster: "Ach" erzählt von "Grün vor dem Fenster und Blau überm Dach" – einer Erinnerung an eine Küche, die vom lyrischen Ich schon lange nicht mehr bewohnt ist. Der Aphorismus "Ein Grundvertrauen in die Welt gibt nur die Nudel" erklärt mit Augenzwinkern die vermeintlich hohe Bedeutung der Pasta. Das Gedicht "Die Krankheit der Wohnung" ermutigt die LeserIn dazu, ihre Wohung lieben zu lernen: "Das Licht, die Wärme, Ruhe, die Balkontür,/ Das/ Wirst du nie vergessen".
Starke Zeilen
Die Gedichte und Aphorismen der Schriftstellerin in "Die schönste Wohnung hab ich schon" drehen sich vor allem um Erinnerungen an Orte und Situationen, die unwiederbringlich vergangen sind. Mit Überschriften wie "Lied des Maklers" oder "Ein Haus braucht der Mensch" vermittelt Liebmann eine melancholische Stimmung, die die LeserIn an ihre erste Wohnung oder das Leben kurz nach dem Umzug in eine neue Stadt erinnern. Die rhythmischen Texte versammeln Lebenserfahrungen und Fantasie, gestrickt aus Alltäglichkeiten. Dabei verlangt die von der Autorin gewählte Montagetechnik von der Leserin ein genaues Mitlesen, schafft andererseits aber auch ein großes Panorama von Eindrücken und Atmosphäre.
AVIVA-Tipp: Ein Lyrikbändchen zum Eingewöhnen in neue Lebensumstände und zum Erinnern an schöne alte Zeiten, die schon lange Vergangenheit sind. Mit so viel Passion wurde selten über Wohnungen gedichtet. Dabei erinnern die Pointen der Stücke an die Berliner Couplets der Zwanziger Jahre. Einfach zum Wegträumen.
Zur Autorin: Irina Liebmann, 1943 geboren, schreibt seit Mitte der 1970er Jahre. Als sie 1988 von Ostberlin in den Westen übersiedelte, begann sie das alltägliche Stadtleben zu beobachten. Liebmann erhielt zahlreiche Preise, darunter den "Aspekte Literaturpreis" und zuletzt den "Preis der Leipziger Buchmesse".
Irina Liebmann
Die schönste Wohnung hab ich schon. Was soll denn jetzt noch werden
Transit Verlag, erschienen: August 2010
Gebunden, 80 Seiten
ISBN-13: 978-3-88747-248-1
12,80 Euro
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