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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 07.03.2011


Inge Wettig-Danielmeier und Katharina Oerder - Feminismus - und morgen. Gleichstellung jetzt
Sharon Adler

Die Streitschrift der beiden SPD-Frauen aus dem Blickwinkel von zwei Generationen erscheint zum 100. Geburtstag des Internationalen Frauentags bei vorwärts|buch. Der historische Abriss der ...




... SPD-Politikerin und Feministin Inge Wettig-Danielmeier wird im 2. Teil des Buches konsequent ergänzt von der 48 Jahre jüngeren SPD-Politikerin, Feministin und Arbeitspsychologin Katharina Oerder.

Während Oerder für einen übergreifenden, neuen politischen Feminismus "für alle Frauen" eintritt, zeigt Wettig-Danielmeier vor allem die Wurzeln der Frauenbewegung auf, indem sie die Widrigkeiten und Errungenschaften in der Geschichte der Frauenbewegung der letzten 200 Jahre skizziert.

"Feminismus – Probleme von gestern?"

Ausgehend von ihrer Fragestellung beschreibt sie auch den zähen Kampf für Frauenrechte in ihrer eigenen Partei. 1972 wurde sie selbst als zweite Frau unter 75 Männern Abgeordnete im Niedersächsischen Landtag. Im gleichen Jahr wurde die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen gegründet. Doch Frauenpolitik war nicht "in" und kein Thema der Medien. Als die "Grünen" noch nicht gegründet waren, hatte zu dieser Zeit einzig die SPD eine Gleichstellungskommission des Parteivorstands. Die ASF war gegen Quotenregelungen innerhalb der Partei, denn sie glaubte daran, dass gerade die Partei, die sich mit ihrem Vorkämpfer August Bebel "die soziale Unabhängigkeit und Gleichheit der Geschlechter" auf die Fahnen geschrieben und das Frauenwahlrecht eingeführt hatte, "...aus eigener Überzeugung handeln musste."
Doch nach acht Jahren des vergeblichen Kampfes mussten die Frauen erkennen, dass es ohne Quote kaum möglich sein würde, (mehr) Macht zu erlangen und ein ausreichendes Mitspracherecht zu erlangen. Sie forderten konsequenterweise eine paritätische Besetzung aller Wahlfunktionen, abgesichert durch eine in der Satzung verankerte 40 %-Mindestquote für Frauen und Männer. Akzeptiert wurde dieser Grundsatz 1986 auf dem Nürnberger Parteitag.

Schließlich hinterfragt Inge Wettig-Danielmeier mit "Was bleibt?" ureigene Verhaltensweisen: "Ohne Änderung unseres Privatlebens ist es Essig mit der Gleichstellung von Frau und Mann".

"Feminismus reloaded"

Unter dieser zeitgemäß formulierten Überschrift formuliert die Feministin Katharina Oerder ihre Thesen. Ausgehend von der Kritik, Feminismus würde heute sehr individuell interpretiert, plädiert sie für einen erneuerten, politisierten Feminismus, der Diskriminierungen in Alltag, Beruf und Politik als strukturell und strategisch entlarvt und darauf reagiert.

Motivieren will sie vor allem für einen Feminismus von allen Frauen für alle Frauen, unabhängig von sozialer Schicht und Bildungsniveau und plädiert daher für mehr Solidarität in den verschiedenen feministischen Strömungen. Sie kämpft gegen biologistisch-genetische Argumente in der Rollenverteilung der Geschlechter und fordert ein selbstbestimmtes Leben, das es Frauen und Männern ermöglicht, geschlechtergerecht zu arbeiten – nicht nur in Führungspositionen, sondern auch im Handwerk, in der Produktion und in der Dienstleistung.
Feminismus ist für Katharina Oerder jedoch nicht nur eine Rechtsfrage, sondern eine Herzensangelegenheit, der sie sich widmet, "seit ich denken kann."

Weil es sie wütend macht, dass Frauen die schlechteren Jobangebote bekommen, weil sie sich zu Recht aufregt über antifeministische Diskurse einer Eva Hermann, Susanne Gaschke oder Kristina Schröder. Katharina Oerder ist sich im Gegensatz zu diesen selbsternannten Verfechterinnen konservativer Strömungen durchaus bewusst, welche Vorarbeit Generationen von Frauen vor ihr für uns alle geleistet haben und wie viel Arbeit noch vor uns liegt.
Denn obwohl wir heute eine Kanzlerin haben, die Bildungsmöglichkeiten für Mädchen und junge Frauen erheblich optimiert wurden und wir eine gesteigerte Zahl von Ministerinnen vorweisen können – auch 22 Jahre nach der Quote sind die Frauen meist nur Stellvertreterin oder Beisitzerin. Noch immer sind weit weniger Frauen in Vollzeit erwerbstätig als Männer. Frauen verdienen bei gleicher Qualifikation durchschnittlich erheblich weniger als Männer. Lediglich ein verschwindend geringer Prozentsatz der wirtschaftlichen und politischen Führungspositionen ist von Frauen besetzt.

Gemeinsam wagen die Politikerinnen Wettig-Danielmeier und Oerder daher den Ausblick in eine bessere und gerechtere Welt. Ihre klar formulierten Wünsche und Forderungen lauten daher auch: Gleiche Chancen für Frauen in der Wirtschaft sind nur mit einer klaren Quote erreichbar. Das Steuersplitting gehört abgeschafft. Minijobs müssen weg, da sie die Alterssicherung der Frauen nicht gewährleisten. Mindestlöhne und familiengerechte Arbeitszeiten müssen durchgesetzt werden.

Gemeinsam rufen sie die Akteurinnen der Frauenbewegung auf, sich solidarisch zu vernetzen und zu organisieren, um aus der Gesellschaft kommende Ideen politisch schlagkräftig zu vertreten.

AVIVA-Tipp: "Feminismus - und morgen? Gleichstellung jetzt" liefert eine solide Bestandsaufnahme der Frauenbewegung seit dem 18. Jahrhundert bis heute aus der Sicht von zwei sozialdemokratischen Frauen unterschiedlicher Generationen – und ist darüber hinaus ein würdiges Geschenk an den 100. Geburtstag des Internationalen Frauentags.

Zu den Autorinnen:

Inge Wettig-Danielmeier
, geboren 1936 in Heilbronn, SPD-Politikerin und Feministin, war von 1981 bis 1992 Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF) und von 1991 bis 2007 Bundesschatzmeisterin ihrer Partei. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages. Verheiratet, 3 Töchter.
Weitere Infos unter: www.inge-wettig-danielmeier.de

Katharina Oerder, geboren 1984 in Köln, ist SPD-Politikerin, Feministin und Arbeitspsychologin. Seit 2010 Mitglieds des Landesvorstands der Jusos Bonn. Schwerpunkte: Gleichstellungs- und Arbeitsmarktpolitik. 2009 machte sie ihren Abschluss als Diplom-Psychologin an der Universität Bonn, promoviert zur Zeit zum Thema "Mitgliederwerbung der Gewerkschaften". Publikationen: "The impact of Political Skill on Career Success of Employées´Representatives. Journal of Vocational Behavior. Ledig, keine Kinder.

Feminismus - und morgen?
Gleichstellung jetzt
Inge Wettig-Danielmeier und Katharina Oerder

ca. 120 Seiten
Broschur, 12 x 18 cm
ISBN 978-3-86602-926-2
Euro 10,00
vorwärts|buch, erschienen März 2011
www.vorwaerts-buch.de

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Beitrag vom 07.03.2011

Sharon Adler