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Beitrag vom 28.12.2010
Nora Miedler - Die Musenfalle
Tatjana Zilg
Für ihren zweiten literarischen Coup nach ihrem Debüt und Überraschungserfolg "Warten auf Poirot" kreierte die Krimiautorin eine absolut chaotische, übermütige Heldin: Lilly Sommer, ...
... fast 30 Jahre alt, erfolglose Schauspielerin, ehemaliges Geisterbahnmonster. Sie stolpert in eine Mordserie und gerät unter Tatverdacht.
Knapp vorbei am Top-Job
Nach gefühltem jahrzehntelangen Warten erschien der Sternenhimmel für Lilly - mit vollem Namen Mathilda - endlich in greifbare Nähe gerückt: Ihre Agentin hatte ihr einen zweijährigen Vertrag als lebender Werbeavatar "Green Poison" bei einer Mobilfunkfirma vermittelt.
Als der alternde Geschäftsführer Alexander Strehl ein Abenteuer mit seiner neuesten Honorarmitarbeiterin sucht, endet dies in einem für Lilly unbefriedigenden Quickie. Noch dazu wird sie wenig später zu Hause in ihrer Wohngemeinschaft von der Kripo verhört, da Strehl tot in seinem Haus aufgefunden wurde. Lilly, gestresst vom alltäglichen Überlebenskampf im Wiener Prekariat und der unerfüllten Sehnsucht nach Ruhm und Glamour, reagiert so nervös und ungeschickt, dass die Kommissare sie ganz oben auf die Liste der Verdächtigen setzen.
Auch wenn Lilly es zunächst verdrängt: Natürlich hat sich durch den Mord und den Tatverdacht die Sache mit der Werbekarriere erledigt. Kurz darauf teilt ihr die Agentin mit, dass der Auftrag storniert wurde.
Lilly setzt alles auf eine Karte und entschließt sich, selbst auf Mördersuche zu gehen. Denn nicht nur Strehl starb unter ominösen Umständen, sondern auch sein bester Freund Ludwig Bernhard.
Kunst und Geld
Erstes Indiz ist für Lilly ein Telefonat von Strehl, das sie am Rande mitbekam: Erregt debattierte er mit Frieda Bernhard, die in Theaterkreisen für ein außergewöhnliches Theaterprojekt bekannt und umstritten ist. Um die Kunst in höchster Intensität und fern von Ruhmesgier und Erfolgswahn zu betreiben, lebt sie mit einer auserwählten Gruppe junger SchauspielerInnen in einem Landhaus. Nur wer sich mit voller Hingabe den Proben und den späteren Aufführungen widmet, darf langfristig mit ihr zusammenarbeiten. Aber es kam, wie es oft geschieht bei dem Versuch, gesellschaftlichen Zwängen zu entfliehen: Da Frieda kommerzielle Aspekte völlig außer Acht ließ, steht die Finanzierung ihrer Theatergruppe auf der Kippe.
Dino Winter, ein alkoholsüchtiger Secondclass-Detektiv und ehemaliger Schauspieler, der es immerhin bis zu einer Oscarnominierung brachte, verschafft Lilly die Gelegenheit, undercover in Friedas Kommune einzusteigen.
Wie all dies mit dem Verschwinden zweier knapp zwanzigjähriger Frauen zusammenhängt und wovon die Romanfiguren innerlich wirklich getrieben sind, entwirrt sich in gut dosiertem Tempo. Die Leserin fühlt sich dem gruseligen Geschehen ausgeliefert, wenn Lilly in ihrer Impulsivität von einer Gefahr in die nächste hineinrennt. An anderer Stelle eilt die Leserin gedanklich den AkteurInnen voraus, wenn sich die Spuren für eine Rekonstruktion des Tathergangs zu verdichten scheinen. Dies liegt mit daran, dass die Autorin den Roman aus der Ich-Perspektive ihrer Heldin Lilly erzählt, dies aber öfters dadurch bricht, dass sie das Handeln der anderen Figuren abseits von Lillys Pfaden verfolgt.
AVIVA-Tipp: Schmunzeln, schaudern, schmökern … schnell löst der Krimi diesen Dreisatz ein, da er wunderbar aus Krimi-Genre-Plattitüden steppt und ihnen Kontra bietet. Keine Schablonen-Charaktere, sondern welche mit Ecken und Kanten werden hier in die Welt des Verbrechens gestoßen und kämpfen sich mit Spontaneität, Situationsglück und Wagemut wieder frei. Dazwischen liegt ein Fundus an unerwarteten Wendungen, Rätselhaftigkeiten und dilettantisch-phantasievollen Aufklärungsversuchen, der bei alten und neuen Krimifans keinen Funken Langeweile aufkommen lassen wird.
Zur Autorin: Nora Miedler, wurde 1977 in Wien geboren, studierte Schauspiel am Konservatorium Wien, arbeitete bis zur Geburt ihrer Tochter als Schauspielerin und war auf zahlreichen Bühnen in Österreich und der Schweiz zu sehen. Neben einer Episodenrolle in "Kommissar Rex" hatte sie Engagements an etlichen Theatern (u.a. Bernharttheater Zürich, Theater Winterthur, Seefestspiele Mörbisch), sie spielte Moliere und Shakespeare, Sartre, Neil Simon, Nestroy und Franz Lehar (Operette). Ihr Krimidebüt "Warten auf Poirot" erschien im Frühjahr 2009 bei Ariadne und erntete begeisterte Kritiken. Mittlerweile ist das Schreiben Nora Miedlers Hauptbeschäftigung. In ihrer Freizeit hält sie Workshops an Gymnasien zum Thema Krimischreiben. (Quelle: Verlagsinfo)
Weitere Informationen und Kontakt unter: www.miedler.at
Nora Miedler
Die Musenfalle
Broschiert, 250 Seiten
Ariadne Krimi 1190, erschienen 2010
ISBN 978-3-86754-190-9
11,00 Euro
www.argument.de