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Beitrag vom 07.08.2011
Gabriele Stave - Gefährliches Terrain
Tatjana Zilg
Der Krimi spielt vor der historischen Kulisse der Weimarer Republik im Jahre 1923. In einem sorgsam recherchierten, lebendig beschriebenen Setting inszeniert die Berliner Autorin eine spannende ...
... Handlung um einen mysteriösen Todesfall bei einem dörflichen Schützenfest nahe Potsdam.
Erster Verdacht: Mord aus Eifersucht
Ein Pärchen aus dem ArbeiterInnen-Milieu und ein junger Chauffeur aus Berlin wollen dem harten Alltag, gekennzeichnet von Inflation, schlechten Wohnverhältnissen und langen Arbeitstagen, für einen Tag entkommen. Das Ehepaar Luise und Max Motzen weiß bisher nicht, dass ihr Fahrer und langjähriger Freund Willi Pollanz kurz zuvor mit der Auflösung seiner Verlobung konfrontiert wurde. Sein Eheversprechen mit Dora Anger konnte er vor allem deshalb nicht einhalten, weil ihm in den unsicheren Wirtschaftsverhältnissen das Geld dazu fehlte. Die junge Schuhverkäuferin hatte kein Verständnis mehr dafür und ging eine neue Bindung mit dem Jazzpianisten Johannes Steinbrück ein.
Im Dorf Rhunow mischen sie sich fröhlich unter die ausgelassen Feiernden, bis sie Dora gemeinsam mit ihrem neuen Freund entdecken. Es kommt zu einem lautstarken Streit und Willi zieht sich verärgert und emotional verletzt zurück. Wenig später erschüttert ein Todesfall das kleine Dorf: Dora und Johannes spazieren auf einer Waldlichtung, als der junge Musiker von zwei Schüssen tödlich getroffen wird. Erstaunlich schnell zur Stelle ist der dortige Forstmeister Brachmann, der den Sterbenden zum Gutshaus des Adligen und ehemaligen Offiziers August Wilhelm von Roelcke bringt. Dem dominanten Mann gehört auch der größte Teil des Land- und Waldgebietes, wodurch er die Geschicke im Dorf fest im Griff hat. So erklärt er kurzum selbst den Todesfall für aufgeklärt: Die Kugeln seien absichtslose Querschläger der üblichen Umtriebe beim Schützenfest gewesen.
Dennoch gelangt der Fall in kriminalistische Hände, weil ein Beamter um Amtshilfe in Berlin ersucht. Der beauftragte Kriminalrat Eugen Ruben, kurz vor seinem 60. Geburtstag stehend, wird misstrauisch und ermittelt umfangreicher als von ihm erwartet. Es scheint aufgrund einer Indizienkette bald klar zu sein, dass es sich um ein Beziehungsdrama handelt: Willi Pollanz wird zu lebenslänglicher Haftstrafe aufgrund Mord aus Eifersucht verurteilt.
Der Schein trügt
Bis hier zeigt sich die Qualität des Romans vor allem darin, wie zeitgeschichtliche Prozesse durch eindringliche Alltagsgeschichte erfahrbar gemacht werden. Die Autorin lässt Haupt- wie Nebenfiguren in all ihren kleinen und großen Sorgen und Nöten vor den Augen ihrer LeserInnen lebendig werden und beeindruckt durch eine hohe Detailtreue bei der Beschreibung der unterschiedlichen Milieus.
Machtverhältnisse verdecken die Wahrheit
Die Fallstruktur an sich erscheint bis dahin fast gewöhnlich im Vergleich zu Gegenwartskrimis des 21. Jahrhunderts. Doch genau zum richtigen Zeitpunkt kommt die dramaturgische Wendung: Der erfahrene Kriminalrat Ruben gerät nach dem Urteilsspruch in Zweifel und stellt auf eigene Faust weitere, ausführliche Nachforschungen an. So gab es in Rhunow nicht nur diesen einen Toten, auch ein 16jähriger Jugendlicher wurde vor einiger Zeit erschossen aufgefunden - in den Akten als Selbstmord deklariert. Die Autorin steigert die Spannung rapide, indem sie aus der Perspektive des Kriminalrats die gesellschaftlichen Machtverhältnisse in dem Dorf Rhunow dekonstruiert und zugleich Schritt für Schritt den Kriminalfall weiterentwickelt. Für Krimifans gibt es dabei einige falsche Fährten, so dass das Miterkunden bis zum Schluss Spaß macht.
AVIVA-Tipp: Innerhalb der Krimihandlung wird ein Mikrokosmos sichtbar, in dem sich die sich verändernden sozialen Kräfte in der Weimarer Republik spiegeln und eine Verhaltensanalyse von Selbstjustiz ermöglicht wird. Negativ fällt jedoch auf, dass die Auswirkungen der Inflation auf die Lebensentwürfe der Einzelnen sehr betont werden, andere zeitgeschichtliche Themen wie Antisemitismus in der Weimarer Republik aber unbeachtet bleiben.
Zur Autorin: Gabriele Stave, geboren 1948 in Berlin, studierte Journalistik an der Universität Leipzig. Sie arbeitete u. a. für die "Wochenpost", die "Neue Berliner Illustrierte", die Satirezeitschrift "Eulenspiegel", als Autorin für Kinderbücher, Hörfunk und TV sowie für Ausstellungen und Kataloge. Gabriele Stave lebt als freiberufliche Schriftstellerin und Journalistin in der Nähe von Berlin. (Quelle: Verlagsinfo)
Gabriele Stave
Gefährliches Terrain
256 Seiten, Paperback
be.bra verlag, erschienen Mai 2011
ISBN 978-3-89809-520-4
9,95 Euro