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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 05.05.2004


Die weinende Susannah. Das Romandebüt von Alona Kimhi
Denise Hoffmann

Entwicklungsroman über eine sozial untaugliche Frau, die durch die Liebe befähigt wird, ihre Ängste zu überwinden und das Leben in die Hand zu nehmen




"Susannah Rabin ist keine Verwandte von." Die junge Israelin Susannah Rabin trägt schwer an diesem auffälligen, weil prominenten Namen in Ramat-Gan, einer Vorstadt Tel-Avivs. Seit dem Tod des geliebten Vaters ist sie jeglicher innerer Sicherheit beraubt und soziophob geworden.
Sie gilt als künstlerisch begabt und malt.
Ihre einzige Leidenschaft aber gilt - vom Vater vererbt - der Lyrik und dem englischen Dichter Percy Bysshe Shelley.

Mit bissiger Komik entwickelt Alona Kimhi in ihrem Erstlingswerk das deprimierende Leben aus der Sicht Susannahs. Diese ekelt sich auch und gerade vor Menschen, die sie mag, kann nicht in Gesellschaft essen, und sie wäre mindestens ein geruchliches Ärgernis - gäbe es Ada nicht, ihre dominante Mutter.
Das Leben der Tochter ist so sehr an das der Mutter gekoppelt, dass Susannah alleine nicht mehr lebenstauglich und entscheidungsfähig ist.

Die junge Frau fürchtet sich vor dem Leben, bis ihr jüngerer Cousin Naor aus New York zu Besuch kommt. "Der Besuch", wie Susannah ihn nennt, verwandelt sie:
Sie hasst ihn ebenso wie alle Veränderungen.
Die beiden schließen jedoch Freundschaft, nachdem sie feststellen, dass sie der Mutter Gottes und er dem Dichter Shelley ähnelt.
Naors Anwesenheit bringt Susannah dazu, entgegen ihrer Ängste sowie gegen ihre Ängste zu handeln - auch wenn sie dabei fast von einem Rottweiler angefallen und gebissen worden wäre.

Und "schlimmer" noch: Naor bringt die Liebe und damit auch Hoffnung, Sinn und Zukunftspläne in ihr Leben, die zu wissen glaubte, dass "ich so was wie Liebe gar nicht in mir habe." Nach zwei Liebesnächten ist Naor plötzlich verschwunden und mit ihm auch Susannahs "Daseinsberechtigung".

Neben Susannahs Entwicklung und der Geschichte einer ziemlich verqueren Liebe entfaltet die Autorin außerdem den Alltag in Israel und zeichnet innerisraelische Klischees und Vorurteile nach, ohne sie zu problematisieren:
Adas beste Freundin Nechama - "paranoid infolge der Shoah" - ist "Araber-, Schwulen- Russinnen- und Schwiegertochter-Hasserin".
Adas Freund Armand - ein marokkanischer Jude - kritisiert den Staat Israel, "solange es noch keinen sephardischen Premierminister gibt".
Riwka steht als Sozialarbeiterin und Feministin für die Selbstverwirklichung der Frau in der israelischen Gesellschaft.
So ergibt sich ein vielschichtiges, politisch unkorrektes, deshalb aber nicht weniger scharf umrissenes Israelbild aus Sicht der Alteingesessenen, der ImmigrantInnen und der im Lande geborenen Israelis.

Trotz der grotesken Beschreibungen aller Neurosen ist "Die weinende Susannah" durch die flapsige und kluge Innenperspektive der Protagonistin zum Heulen komisch, wenn nicht die - zeitweise unter dieser versteckt - wahnsinnig traurig stimmende Außensicht durchschimmert, die Perspektive Naors, der Susannahs selbsterrichtetes Gefängnis im Gegenteil zur Mutter nicht hinnehmen will.
Liebe tut weh!

AVIVA-Tipp:
Lesenswerter Roman über die verquere Liebesgeschichte zwischen einer komplexbeladenen Frau und einem schönen Lügner. Gleichzeitig wird ein subjektives Bild des Alltages in einer israelischen Vorstadt entworfen.

Zur Autorin:
Alona Kimhi, 1966 in der ehemaligen UdSSR geboren, emigrierte im Alter von 6 Jahren mit ihrer Familie nach Israel. Sie war zunächst Schauspielerin, wandte sich dann aber dem Schreiben zu. Sie arbeitet heute am Theater und als freie Journalistin, lebt in Tel Aviv. Mit ihrem Romandebüt "Die weinende Susannah" (Originalausgabe von 1999) gewann sie den "Bernstein Award".




Alona Kimhi
Die weinende Susannah

BvT Berliner Taschenbuch Verlag, Februar 2004
445 Seiten
10,50 Euro
ISBN/EAN 3-8333-0027-2
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Beitrag vom 05.05.2004

AVIVA-Redaktion