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Beitrag vom 20.08.2005
Die gesundheitliche Situation lesbischer Frauen in Deutschland
Karin Effing
Dr. med. Gabriele Dennert gibt hoffentlich mit ihrer Dissertationsschrift den Anstoß für weitere Studien, damit das von ihr untersuchte medizinische Defizit erkannt und aufgehoben werden kann.
Dr. med. Gabriele Dennert hat sich mit ihrer Dissertationsschrift einem Thema gewidmet, das bis jetzt noch keiner weiteren Forschung würdig schien: der besonderen Situation lesbischer Frauen im Gesundheitswesen.
Noch immer werden Lesben in unserer Gesellschaft kaum wahrgenommen. So kamen lesbische Frauen im Bundesfrauengesundheitsbericht 2001 nicht nur einfach nicht vor, sondern wurden implizit ausgeschlossen: nichteheliche Gemeinschaften wurden als "nichtverwandte zusammenlebende Paare unterschiedlichen Geschlechts" definiert.
Auch in anderen Studien und Veröffentlichungen wurden andere als heterosexuelle Lebensformen nicht beachtet. Trotz des allgemeinen Bezuges auf Frauen und Paare schließen die Publikationen damit Lesben immer wieder unter der Hand aus.
In den USA gibt es dagegen den "Lesben-Gesundheitsbericht" des renommierten "Institute of Medicine", in dem der aktuelle Stand der Forschung zusammengefasst wird. Hier werden Empfehlungen für die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung formuliert.
Die selbstverständliche Annahme, dass das Gegenüber heterosexuell ist, zwingt die betroffene Frau, sich zu entscheiden: Verstecken oder Outen.
Mit dem Ansatz der Salutogenese (Gesundheitsforschung), den Gabriele Dennert kurz und verständlich erläutert, wird deutlich, dass diese Situation ein Streßfaktor ist, der zwar an sich noch nicht krank machen muss, aber Spannungszustände auslöst, die auf den Organismus einwirken und eine Handlung erfordern, um das gesundheitliche Wohlbefinden aufrecht zu erhalten.
Der wissenschaftliche Hintergrund der Veröffentlichung spiegelt sich im Aufbau wieder: Methodik, Ergebnis, Diskussion und Schlußfolgerungen und Thesenentwicklung sind die Themen der Kapitel. Sie ist dementsprechend eher trocken und wissenschaftlich gehalten, aber doch auch für LaiInnen gut lesbar und verständlich.
Die qualitative Methodik der Befragung lässt es zu, im Buch zu schmökern und die Kommentare und Miniberichte der Frauen zu lesen.
Die Ergebnisse sind teilweise erschreckend: 7,8 % der Befragten gaben an, vor ihrer Psychotherapeutin zu verschweigen, dass sie lesbisch sind. Bei männlichen Psychotherapeuten waren es sogar 31,8 %. Das verwundert nicht, denn in einer Studie in Kalifornien wurden 23 % der befragten ÄrztInnen als homophob eingestuft. Für Deutschland liegen leider so gut wie keine Daten vor. Die Beratungsstelle "donna klara e.V". befragte 2003 alle in Schleswig-Holstein niedergelassenen PsychotherapeutInnen mit Kassenzulassung über ihre Haltung zu lesbischen Frauen. 15 % der Befragten gaben an, dass Frauen nicht oder nur in besonderen Fällen in der Akzeptanz ihrer Lebensweise unterstützt werden sollten.
Weiter stellte Dr. Gabriele Dennert fest, dass viele ÄrztInnen Fragen zu sexuell übertragbaren Krankheiten unter Lesben einfach nicht beantworten konnten. Das schien kein Thema in ihrem Studium gewesen zu sein. Damit konnten sie keine Beratung in Bezug auf Schutzmaßnahmen geben.
Interessanterweise lassen überdurchschnittlich viele Lesben einen HIV-Test machen.
Lesben scheinen weniger Wechseljahrsbeschwerden zu haben, da sie mit ihrem Körper und Aussehen zufriedener sind als heterosexuelle Frauen.
Auffallend ist auch der Zusammenhang zwischen lesbischen Patientinnen, die schlechte Erfahrungen mit ihren ÄrztInnen und ihrem Vorsorgeverhalten gemacht haben. Die "Frauen mit ausschließlich negativen Erfahrungen als Lesbe" nahmen nur zu 42,9 %. die "Nutzung von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen mindestens alle zwei Jahre" in Anspruch. Das ist bedenklich, da viele Krankheiten im Frühstadium besser geheilt werden können.
Deutlich wird in der Studie auch die schlechte psychische Verfassung von jugendlichen Lesben. Schon in anderen Studien wurde angenommen, dass die Suizidrate homosexueller Jugendlicher fast viermal so hoch ist wie die anderer Jugendlicher.
AVIVA-Tipp: Das Buch ist für alle im Gesundheitsbereich Beschäftigten ein Muss. Patientinnen können darin stöbern und sich ermutigen lassen, sich nichts gefallen zu lassen und auf Informationen zu bestehen.
Zur Autorin:
Dr. med. Gabriele Dennert schloss 2002 ihr Medizinstudium ab und hat 2004 an der Universität Erlangen-Nürnberg promoviert. Sie arbeitet gegenwärtig als Ärztin am Klinikum Nürnberg und betreut die Internet-Plattform www.lesbengesundheit.de
Gabriele Dennert
Die gesundheitliche Situation lesbischer Frauen in Deutschland
Centaurus Verlag, 2005
ISBN: 3-8255-0515-4
Kartoniert, ca. 250 Seiten
23,90 Euro
Das Buch kann direkt beim Verlag bestellt werden: www.centaurus-verlag.de