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Beitrag vom 15.09.2005
Lyris
Sarah Ross
Dorothee Wahl stellt in dem von ihr herausgegebenen Band deutschsprachige Dichterinnen und Dichter vor, die auf einer Sprachinseln mitten in Jerusalem leben und arbeiten.
In ihrem Band "Lyris" taucht die Herausgeberin Dorothee Wahl in die Peripherie des literarischen und kulturellen Lebens Jerusalems ein. Ende der 1980er Jahre erfuhr sie zum ersten Mal von der "Existenz des Lyris-Kreises, einer Gruppe deutschsprachiger Dichterinnen und Dichter in Jerusalem". Zehn Jahre später reiste Dorothee Wahl erneut nach Israel. Mit ihr Bernd Rensinghoff, ein Aufnahmegerät, eine Kamera und viele Fragen. Das Ergebnis dieser Reise ist ein Lesebuch, das auf ganz eindrucksvolle und mitreißende Art und Weise die Lebensgeschichten der Mitglieder dieses Dichterkreises erzählt.
Während im ersten Teil des Buches das Leben der Dichterinnen und Dichter, die aus der Bukowina, Deutschland und Österreich stammen, in Interviews und einer Auswahl ihrer Texte vorgestellt, sowie "ihr künstlerisches Wirken in der neuen Heimat dokumentiert" wird, so bietet der zweite Teil eine historische Einführung in die verschiedenen Auswanderungswellen nach Israel und zu deutschsprachigen SchriftstellerInnen in Israel. Sowohl die Interviews, als auch die Gedichte, Texte, die künstlerischen Arbeiten der SchriftstellerInnen und die zum Teil noch unveröffentlichten Dokumente im zweiten Teil bilden ein lebendiges Zeugnis der Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Seit Ende der 1980er Jahre treffen sich die in Jerusalem lebenden Mitglieder des Lyris-Kreises, um in der Sprache ihrer Kindheit und Jugendzeit zu schreiben. Dabei erinnert der leichte und hintersinnige Charakter ihrer deutschen Sprache an längst vergangene Zeiten. Doch was diesen Band so spannend macht, ist die Verbindung der Dichtkunst mit den Fakten des Lebens. Jedes der zehn Mitglieder des Lyris-Kreises kann auf eine Lebensgeschichte zurückblicken, die unverwechselbar zu sein scheint. Die Erfahrung des Holocausts, der Auswanderung und ihrer lebenslangen Beschäftigung mit der Kunst und der deutschen Sprache bilden die gemeinsame Basis.
Einen von ihnen ist Eva Avi-Yonah. Sie erzählt in einer erstaunlichen Offenheit von den Pionierjahren Israels, in denen sie auf engstem Raum mit einem Truthahn zusammen lebte. Man lernt Felix Badt kennen, einen gebürtigen Berliner, der seit 1933 in Palästina und später in Israel lebt. Seine nicht-jüdische Mutter spielte in der Berliner 11-Zimmer-Wohnung das Spiel ihres religiösen Ehemannes mit, und begann erst nach seinem Tod ihr selbst bestimmtes Leben zu leben. So hatte sie am Schabbes geraucht. "Ich selber habe dieses religiöse Denken nicht in mir. Der Holocaust hat mir bewiesen: Gott hat nichts zu tun mit ethischen Fragen", so Felix Badt.
Eva Basnizki, 1933 als Tochter eines christlichen Vaters und einer jüdischen Mutter in Hamburg geboren, wurde als Kind auf einem Gutshof bei Quickborn versteckt und war sogar einige Zeit in der Hitlerjugend. Mit ihren Eltern versteckte sie sich später auf einem Kinoboden in Jever. In ihren Gedichte setzt sie sich mit dem Unbehagen an der Nachbarschaft, mit der Erinnerung, aber auch mit dem Licht Israels auseinander.
Zur Autorin: Dorothee Wahl lebte von 1986 bis 1987 in Israel. Sie ist Historikerin und Lektorin und hat unter anderem beim S. Fischer Verlag gearbeitet. Seit 2001 arbeitet sie als freie Lektorin und Autorin in Frankfurt/Main.
AVIVA-Tipp: Auf eine unverwechselbar liebevolle Art und Weise erzählt Dorothee Wahl die Lebensgeschichten deutschsprachiger LyrikerInnen in Jerusalem. In diesem aufwendig gestalteten Buch kommen die Dichterinnen und Dichter nicht nur in ihren bewegenden Gedichten zu Wort.
Dorothee Wahl (Hg.)
Lyris. Deutschsprachige Dichterinnen und Dichter in Israel
Beerenverlag, Januar 2004
ISBN 3-929198-40-1
176 Seiten, Leineneinband
29,- Euro90008115&artiId=2760273"