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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 21.06.2003


Eine starke Frau in napoleonischer Zeit
Kirsten Eisenberg

Birgit Urmson erweckt in ihrem Roman "Germaine. Leidenschaft und Macht." das Portrait einer Frau zum Leben, die gegen alle Widerstände für Freiheit und ein selbstbestimmtes Frauenleben kämpft




Wir befinden uns mitten im napoleonischen Paris, zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dort lebt und wirkt die außergewöhnliche Germaine de Staël, Tochter des einflussreichen Neckers. Ihr Salon ist gesellschaftliche Bühne für fortschrittlich denkende Schriftsteller, Künstler, Philosophen. Germaine liebt es, Diskussionen zu entfachen und gemeinsam mit ihren BesucherInnen neuen, fortschrittlichen Gedanken Leben einzuhauchen. Die kluge, funkensprühende Madame de Staël glaubt an ihre Ideale von Freiheit und Aufklärung, gleichzeitig erhebt die zwar nicht besonders schöne, aber äußerst leidenschaftliche und sinnliche Frau Anspruch auf ein erfülltes Leben voller Glück und Liebe.

Ihr Denken und ihr gefährlicher gesellschaftlicher Einfluss sind Napoleon ein Dorn im Auge. Endgültig aufgebracht durch ihren skandalös freizügigen Roman "Delphine", in welchem Germaine für die Selbstbestimmung der Frau schreibt, will er ihrem Wirken ein Ende setzen. Obwohl Napoleon von ihrer Stärke und ihrem Temperament beeindruckt ist, überwiegt sein Machtstreben und sein Wille, die Ordnung zu wahren - er verbannt Germaine aus Paris.

Zunächst tief bestürzt, sieht Germaine im Exil, das sie mit zweien ihrer drei Kinder antritt, bald eine Chance. Sie möchte interessante, modern denkende Philosophen, Literaten und Künstler Europas kennen lernen. Dabei hilft ihr der neugewonnene Freund August Schlegel, der sie auf ihrer Reise durch Deutschland in die intellektuellen Kreise einführt. Dort trifft sie bald auf Caroline Schelling, und eine enge Freundschaft entwickelt sich. Die Frauen stehen sich geistig sehr nahe, unterscheiden sich andererseits aber stark in Temperament und gewählter Lebensweise.

Doch Napoleons Arm reicht weit: Ein Sonderbeauftragter soll der Freidenkerin nachreisen und Bericht erstatten. Als zwischen den beiden gegenseitige Gefühle entflammen, verkompliziert sich die Geschichte...

Anne-Luise-Germaine Necker de Staël-Holstein (1766 bis 1817) ist durch ihre Willensstärke und gleichzeitige Herzlichkeit eine der eindrucksvollsten Frauengestalten ihrer Zeit. "Germaine ist mir sehr, sehr sympathisch und ungeheuer wichtig. Sie hat für sich das Recht beansprucht, eine historische Rolle zu spielen, gegen alle Widerstände. Das habe ich immer so bewundert, sie war für mich persönlich eine Quelle an Mut", beschreibt Birgit Urmson die Beziehung zu ihrer Protagonistin. "Und sie hat es nie aufgegeben, auch als Frau Erfüllung zu finden. Sie hat Männer verehrt, konnte ohne sie nicht sein."

Ursprünglich wollte Birgit Urmson einen Film drehen, in dessen Mittelpunkt nicht Germaine, sondern Caroline Schelling stehen sollte. Als sie jedoch bei der Lektüre von Carolines Briefen auf eine Stelle stieß, in der die beiden Frauen aufeinandertreffen, kam ihr die Idee, das interessante Frauengespann dramatisch zu entwickeln. Einen Film zu verwirklichen erwies sich unter anderem aus Kostengründen bisher als schwierig. Birgit Urmson wollte ihr Projekt schon aufgeben, als Artur Brauner sie auf die Idee brachte, als Basis zunächst einen Roman daraus zu entwickeln.

Man merkt dem nun erschienenen Buch seinen ursprünglichen Drehbuchcharakter noch an. Das Szenische der Erzählung ist aber für die Leserin ungeheuer effektiv - frau fühlt sich mit allen Sinnen hineinversetzt in die Kulissen einer anderen Zeit und Welt, in der ausladende Brokatkleider rascheln und Kutschenräder auf Kieswegen knirschen.

Birgit Urmson studierte Kunstgeschichte und Archäologie in München, Wien und Paris, ging anschließend an die Universität Berkeley in Kalifornien, wo sie nach ihrem Abschluss auch eine Lehrtätigkeit ausführte. Sie arbeitete als Regisseurin und Produzentin in verschiedenen Filmprojekten. Zudem ist sie noch Gesangssolistin, ehrenamtlich tätig für behinderte Menschen und dreifache Mutter - eine mindestens ebenso aktive und weltbewegende Frau wie die Protagonistin ihres Romans "Germaine"!

Wenn Sie mehr über Birgit Urmson erfahren wollen, lesen Sie auch unsere Rubrik "Ausgelesen" sowie das Interview mit der Schriftstellerin!



Birgit Urmson
Germaine. Leidenschaft und Macht.

Könighausen & Neumann, 2003
272 Seiten
ISBN 3 8260 2595 4
Preis: 16,50 €


Literatur

Beitrag vom 21.06.2003

AVIVA-Redaktion