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AVIVA-BERLIN.de im November 2024 - Beitrag vom 28.05.2006


Ich, Anastasia
Danielle Daum

Mit ihren fünf tragisch-komischen Kurzgeschichten hat sich Alona Kimhi nun endgültig ihren festen Platz unter den jungen israelischen SchriftstellerInnen gesichert.




Angesichts der Tatsache, dass der Großteil der Weltliteratur in der Geschichte von Männern gemacht wurde, hat Literatur, die von Frauen geschrieben wird, noch immer etwas Erfrischendes. In Israel gibt es inzwischen einige weibliche Autorinnen, die Furore machen. Nach Zeruya Shalev feiert nun auch Alona Kimhi ihren Durchbruch mit einer Sammlung von Kurzgeschichten, die uns ein Bild des israelischen Alltags zwischen Lebenslust und Furcht, Normalität und Terror zeigen, das sich ins Gedächtnis einprägt.

Ein junges verheiratetes Paar versinkt in Langeweile. Es kommuniziert weder verbal, noch sexuell und verbringt die gemeinsame Zeit fast ausschließlich vor dem Fernseher. Letztendlich verliebt sich der Ehemann in eine andere Frau und die Ehefrau bleibt betrogen und einsam zurück.

Ein junges Mädchen aus einer russischen Immigrantenfamilie leidet unter der Feindseligkeit und dem fanatischen Sauberkeitswahn seines Stiefvaters und die Beziehung zwischen beiden verbessert sich erst, als der Vater ein sexuelles Interesse an seiner Stieftochter entwickelt.

Ein Tel-Aviver Journalist infiziert seinen Geliebten wissentlich mit dem HIV-Virus und leidet fort an unter quälenden Schuldgefühlen.

Eine intelligente, aber schwer depressive junge Frau erzählt von ihren Erlebnissen als Patientin einer geschlossenen psychatrischen Anstalt und davon, wie sie mehrmals versucht, ihre Entlassung zu verhindern, um ja nicht wieder in das richtige Leben zurückkehren zu müssen.

Eine bulimische Modefotografin versucht ihren Job zwischen Heißhungerattacken und Selbsterniedrigung zu managen und scheitert ein weiteres Mal bei dem Versuch, den Teufelskreis zu durchbrechen.

Kimhis Geschichten lassen ein obsessives Interesse an Situationen erkennen, die durch Leid, Unglück, Destruktivität, Erniedrigung, Krankheit und Wahnsinn gekennzeichnet sind. Doch diese extremen Situationen gehören allem Anschein nach in den Alltag vieler Israelis und reflektieren die Unzufriedenheit der jungen Generation im eigenen Land.

Kimhis Charaktere sind empfindlich, mißtrauisch, ängstlich und sprechen über sich selbst in ironischer, hemmungsloser, rauer und manchmal geradezu brutal Sprache.

Und das ist es, was den ganz besonderen Reiz dieses Buches ausmacht. Kimhis Figuren beobachten, analysieren, sezieren sich selbst - so genau und bitterböse, daß es weh tun könnte, wenn es nicht gleichzeitig so abgrundtief ironisch, originell und humorvoll geschrieben wäre.

AVIVA-Tipp:
Alona Kimhis Kurzgeschichten sind eine unterhaltsame und intensive Leseerfahrung. Jede einzelne Geschichte überrascht auf ihre ganz eigene Weise und offenbart widerum eine ganz neu Art von Desaster.

Aus zahlreichen skurrilen, genau beobachteten Begebenheiten hat Kimhi ein wahres Patchwork bizarrer Geschichten zusammengefügt, das nicht zuletzt durch die schnelle, vulgäre und manchmal fast wahnsinnige Sprache heiter daher kommt und trotz der beklemmenden Situation der Protagonistin häufig sogar zum lauten Lachen anstiftet.

Zur Autorin: Alona Kimhi, geboren 1966 in der Sowjetunion, emigrierte 1972 mit ihrer Familie nach Israel. Sie war zunächst Schauspielerin, veröffentlichte später Kurzgeschichten und für ihren Roman "Die weinende Susannah" erhielt sie den Bernstein Award. Kimhi lebt mit ihrem Mann, dem Musikproduzenten Jis`char Ashdot, (Ofra Haza) in Tel Aviv. Für seine Hits schreibt sie ab und an auch die Texte.


Alona Kimhi
Ich, Anastasia

Originaltitel: Ani, Anastasia
Aus dem Hebräischen übersetzt von Ruth Melcer
Berliner Taschenbuch Verlag, Berlin, Dezember 2005
ISBN 3-8333-0028-0
253 Seiten
9,90 Euro90008115&artiId=3584044&nav=5081"



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Beitrag vom 28.05.2006

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