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Beitrag vom 28.03.2007
Gleich und anders
Clarissa Lempp
2 Bücher zum Thema Homosexualität, die unterschiedlicher nicht sein können. Der globale Geschichtskurs "Gleich und anders" und die "Gebrauchsanleitung für Heteros", "Anderes Ufer, Andere Sitten"
In Gleich und anders", das von Robert Aldrich herausgegeben wurde, findet sich in 14 Kapiteln eine umfassende Sammlung zur Historie der Homosexualität. Nicht nur wird der Blick auf verschiedene Epochen gelenkt, die von der antiken Knabenliebe bis zur heutigen Queer-community reicht, auch kulturspezifisch wird an Beispielen der asiatischen, arabischen oder (latein)amerikanischen Entwicklung das weitgefächerte Verständnis von Homosexualität beschrieben. Dabei finden Vergleiche von den geschlechts-uneindeutigen Mahus der Südsee oder Nordamerikanische Berdachen ebenso Erwähnung, wie die sexuelle Abenteuerlust amerikanischer und britischer KünstlerInnengruppen, die in den 1930er und 40er Jahren das marokkanische Tanger bevölkerten. Zwar überwiegen die Beiträge zur männlichen Homosexualität leicht, was sich aber auch auf die allgemein auf Männer ausgerichtete Geschichtsschreibung zurückführen lässt. Daneben finden sich die speziellen Ausprägungen der Frauenliebe, wie die romantischen Freundinnen des 18. Jahrhunderts oder die selbstbewussten Garçons in den europäischen Metropolen der 1920er, dem goldenen Zeitalter der Homosexualität. Alle ausführenden AutorInnen stammen aus der Forschung bzw. Lehre und so eröffnen sich außerordentliche Beispiele, Geschichten und Theorien aus allen Jahrhunderten und Erdteilen, reichhaltig illustriert durch Kunstbeispiele und historisches Bildmaterial. In den ausführlichen Anmerkungen und dem Bibliografischen Teil finden sich auch weiterführende Literaturangaben, die noch tiefer in Fakten, Ereignisse, Mythen und Phänomene eintauchen lassen.
AVIVA-Tipp: Ein wissenschaftlicher Exkurs, der zum Stöbern einlädt und eine hervorragende Einarbeitung in die Historie und Interkulturelle Aspekte der Homosexualität bietet.
Zu den AutorInnen (Auswahl): Robert Aldrich, Herausgeber, ist Professor für Europäische Geschichte und Kolonialgeschichte an der Universität Sydney. Er ist Mitherausgeber vom Journal of the History of Sexuality und Autor zahlreicher Aufsätze und Bücher zu historischen Themen, wie Colonialism and Homosexuality (2003). Helmut Puff ist außerordentlicher Professor der Abteilungen für Geschichte und German Studies an der University of Michigan in Ann Arbor und Mitherausgeber der Zeitschrift Gender & History. Laura Gowing ist Dozentin für die Geschichte der frühen Neuzeit am King’s College in London. Sie hat ausführlich über die Geschichte der Frauen in der frühen Neuzeit Englands geschrieben. Brett Genny Beemyn ist Direktor des Stonewall Center an der University of Massachusetts in Amherst. Er fungiert als Herausgeber u.a. von Creating a Place for Ourselves: Lesbian, Gay, and Bisexual Community History. Florence Tamagne ist Dozentin an der Universität Lille III. Sie ist u.a. Autorin von Histoire de l’homosexualité en Europe: Berlin, Londres, Paris, 1919–1939.
Auf welchen Fakten "Anderes Ufer, Andere Sitten" vom Geschwisterpaar Ariane und Björn Grundies beruht, bleibt das AutorInnengeheimnis. Dafür werden die Mythen und Klischees bis zum letzten ausgeschöpft. Zwar wird auf die Unernsthaftigkeit bereits im Vorwort hingewiesen, spätestens beim zweiten Kapitel blieb dann aber doch das Lachen kurz im Halse stecken. Unter der Überschrift "Gayspotting" wird als absoluter Hinweis auf die lesbische Quizshowkandidatin, ihre "damenbärtige Begleitung" genannt. Wer sich trotzdem weiter traut, wird auf Verhaltensregeln für "Heteros" treffen, die sicherlich nicht zur Toleranz beitragen. So wird davor gewarnt "ein unberechenbares authentisches glitzerndes Ding" (Transvestit) für Betriebsfeiern zu buchen, da "es" unter Umständen "mit den Absätzen seiner Highheels die Gesellschaft bedroht." Dazu werden Geschlechterklischees der langweiligsten Art breitgetreten: lesbische Mädchen klettern schneller auf Bäume als "ein Püppchen im rosa Kleid". Dabei könnte doch das Püppchen eine von den AutorInnen kategorisierte "Lipstick-Lesbe/Modetrine" sein... Dazwischen finden sich endlos unsinnige Zitate aus Internetforen, Volksmund und Kommentare wie "mein schwuler Freund S. aus H. sagt..." All das kann auf den ersten Blick belustigen - kommentarlos stehen gelassen wirkt vieles aber auch beleidigend. Themen wie die Verfolgung von Homosexuellen oder aktuelle Problematiken wie AIDS, Gewalt oder Alter werden zwar erwähnt, kommen aber über eine Auflistung nicht hinaus.
AVIVA-Fazit: Mit dieser Form der Vorurteilausschöpfung und Klischeebelustigung haben die AutorInnen ihr Ziel "Humor verbindet" verfehlt. Das sagt auch meine lesbische Freundin N. aus B.
Zu den AutorInnen: Ariane Grundies, geboren 1979 in Stralsund, Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, lebt als freie Autorin (u.a. für DIE ZEIT) in Berlin. Bisherige Veröffentlichungen: "Schön sind immer die andern" (Erzählungen 2004) und "Am Ende ich" (Roman 2006). Björn Grundies, geboren 1974 in Stralsund, Schauspielstudium an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy in Leipzig, 1998-2003 Ensemblemitglied des Thalia Theaters in Hamburg, 2002-2005 Seriendarsteller und verschiedene Film- und Fernsehproduktionen.
Robert Aldrich (Hrsg.)
Gleich und Anders
Eine globale Geschichte der Homosexualität
aus dem Englischen von Benjamin Schwarz
Murmann Verlag, Hamburg, erschienen Januar 2007
384 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, Großformat
36 Euro
ISBN 978-3-938017-81-4
www.gleich-und-anders.de
Ariane und Björn Grundies
Anderes Ufer, Andere Sitten-Eine Gebrauchsanleitung
Illustriert von Daniel Müller
Deuticke Verlag, Wien, erschienen März 2007
192 Seiten, Flexibler Einband
15,90 Euro
ISBN 978-3-552-06050-0