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Beitrag vom 16.04.2007
Meine weißen Nächte und Hochzeit in Jerusalem
Sharon Adler
Lena Gorelik, russisch-jüdische Schriftstellerin, kam 1992 mit ihrer Familie als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland. In ihren Romanen beschreibt sie plastisch, emotional und äußerst komisch...
ihre Erinnerungen an ihre russische Kindheit, wo Kartoffeln mit Hering zum Frühstück der Inbegriff von Glück bedeutete, und später ihre Erfahrungen im deutschen Wohnheim, wo die heißersehnte Tiefkühlpizza in Ermangelung eines Ofens auf dem Herd aufgewärmt wurde.
Sehr subtil schildert sie, die heute bereits mit 26 Jahren zu den meistrezensierten und hochgelobten SchriftstellerInnen ihrer Generation gehört, ihre Erlebnisse und Beobachtungen von Ausgrenzung und ihrer Existenz in einer dreigeteilten Identität: Die Kunst zu überleben muss wohl darin bestehen, den deutschen FreundInnen immer wieder begreiflich zu machen, dass Puschkin nicht nur ein Wodka, sondern auch ein Dichter war....
Meine weißen Nächte – der Debutroman von Lena Gorelik
Außerordentlich urkomisch und dabei leise melancholisch erzählt Lena Gorelik vom Verlassen der Heimat und dem langsamen Ankommen in einer fremden Welt, in der alles so unfassbar anders ist. Hier gibt es Kiwis und Muttertag, doch salatgrünfarbene DIN A4- und DIN A5–Hefte signalisieren schnell das Anderssein.
Für ein kleines und später heranwachsendes junges Mädchen, das eigentlich nicht auffallen möchte, ist es nicht einfach, in der Fremde Fuß zu fassen.
Besonders eklatant zeigen sich die Unterschiede der Kulturen in den Familienstrukturen:
Mit einer mehr als emotionalen, sehr russischen Mutter, die mindestens einmal täglich anruft, um sich zu erkundigen, ob man auch genug gegessen habe, ist ein Leben in Freiheit kaum denkbar. Dazu noch eine liebenswerte, aber entsetzlich vergessliche Großmutter, die nur in ihrer Sankt Petersburger Vergangenheit lebt, ein abgedrehter Bruder, der soeben beschlossen hat, Buddhist zu werden und noch immer nicht verheiratet ist? Nicht zu vergessen die Dutzende von exzentrisch anmutenden Verwandten, über die man über hundert weitere Ecken irgendwie verwandt ist und die zu allem ihren Senf dazu geben müssen....
Und als hätte die Protagonistin nicht schon genug damit zu tun, sich zwischen ihrem deutschen Freund Jan und ihrem russischen Ex-Freund Ilja zu entscheiden, so wird sie zusätzlich immer wieder von ihrer russischen Familie mit der Realität konfrontiert...
Hochzeit in Jerusalem - Lena Gorelik im Heiligen Land
Anja, die russische Jüdin, die seit ihrer Kindheit in Deutschland lebt, hat unsäglichen Liebeskummer, denn Jan hat sich von ihr getrennt. Wegen Ilja? Das leider erfährt die Leserin nicht, weil Ilja aus Anjas Leben verschwunden ist. Nach Tagen und Wochen des Leidens trifft sie in einem Internetforum auf Julian, der erst vor ein paar Tagen, an seinem 26. Geburtstag, erfahren hat, dass sein Vater aus einer jüdischen Familie stammt. Um ihm bei dessen Suche nach seinen jüdischen Wurzeln zu helfen, will sie mit Julian, der weder bester Freund noch Affäre noch Partner ist, nach Israel reisen.
Soweit, so gut! Bis sich die ganze Familie spontan der Reise anschließt, weil die Hochzeit einer Cousine in Jerusalem gefeiert wird und damit alles aus den Fugen gerät...
AVIVA-Tipp: Die Autorin liefert die besten Bücher über sogenannte "Kontingentflüchtlinge" und Jüdischsein in Deutschland überhaupt. Lena Gorelik schreibt kurzweilig, trocken-humorvoll, authentisch, melancholisch, emotional, genau, leicht und tief zugleich - als Beobachterin unter BeobachterInnen. Sie ist mit ihrem ganzen Herzen sehr nah dran. Unbedingt bitte mehr davon!
Zur Autorin:
Lena Gorelik, geboren 1981 in Sankt Petersburg, kam 1992 zusammen mit ihrer russisch-jüdischen Familie als "Kontingentflüchtling" nach Deutschland. Im Anschluss ihrer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule in München absolvierte sie den Elitestudiengang "Osteuropastudien". Ihr erster Roman Meine weißen Nächte (erschienen im Herbst 2004) wurde vom Magazin bücher als "der beste neue Roman über Deutschland und [als ein] absolut hinreißendes Buch" gelobt und mit dem Bayerischen Kunstförderpreis 2005 in der Sparte Literatur ausgezeichnet.
(Quelle: Verlagsinformation)
Lena Gorelik
Meine weißen Nächte
SchirmerGraf Verlag, erschienen September 2004
Umschlagillustration: unter Verwendung eines Photos (1999) von Bettina Rheims. © Bettina Rheims 1999
288 Seiten, € 18,80 sFr 32,80
ISBN 978-3-86555-010-1
Lena Gorelik
Hochzeit in Jerusalem
SchirmerGraf Verlag, erschienen März 2007
Umschlag: Photographie aus The Wedding Album
(1992-2002) von Paris Petridis
Leinen mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN 978-3-86555-037-8
256 Seiten
Euro 18,80, sFr 32,80