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Beitrag vom 15.06.2007
Christa Murken, Paula Modersohn-Becker
Yvonne de Andrés
Anlässlich des 100. Todestags der frühen expressionistischen Malerin werden ab Herbst 2007 Ausstellungen zu ihrem Leben und Werk in Hannover, Bremen und Worpswede gezeigt.
Die Malerin Paula Modersohn-Becker wurde 1876 in Dresden geboren und starb 1907 in Worpswede. Sie war eine der wenigen Malerinnen, die in ihrer Zeit, ein selbstbestimmtes künstlerisches Leben führte. Zwei Konflikte bestimmten ihr Leben wesentlich: die von Männern dominierte Bilderwelt lehnte ihre Bilder ab und zollte ihrem Werk keine Anerkennung; ihre Berufung als Malerin forderte sie so vollständig, dass sie mit der Rolle der Ehefrau und Mutter nicht vereinbar war. "Ich arbeite mit einer Leidenschaft, die alles andere ausschließt" schrieb Paula Modersohn-Becker im Oktober 1897 an ihre Eltern.
Modersohn-Becker malte stimmungsvolle Selbstbildnisse, Kinderbilder und Landschaften. Eine kleine Erbschaft von ihrer Patentante ermöglichte ihr die Studienjahre in Berlin, die erste Zeit in Worpswede sowie den ersten Aufenthalt in Paris im Jahre 1900. In Paris begegnete sie den Werken von Rodin, Cézanne und Gauguin, die sie stark beeindrucken und ergriffen. Christa Murken, die Autorin der Monografie zu Moderson-Becker, merkt an: "Mit dieser Reise folgte sie nicht nur der Worpsweder Freundin Clara Westhof,… sondern auch einem allgemeinen Trend vieler deutscher Künstler." Paris ist 1900 die wichtigste europäische Kulturmetropole, gleichzeitig findet dort die Jahrhundertausstellung statt.
In Paris erhält sie auch Besuch von Otto Modersohn, einem ihrer Kunstlehrer, dessen Frau Helene während seines Parisaufenthaltes stirbt. Paula Modersohn-Becker und Otto Modersohn heiraten 1901 nach der gemeinsamen Rückkehr nach Worpswede. Dazu die Biografin: "Paula Becker kamen allerdings bald bei allem Jubel über die glückliche Lebensgemeinschaft auch heimliche Zweifel, ob sich ihre eigenwillige Lebensvorstellung und ihr künstlerisches Streben überhaupt mit dem Ehe- und Hausfrauendasein vereinbaren ließen." Sie fügte sich in den Haushalt und betreute die dreijährige Tochter, die Otto Modersohn in die Ehe eingebracht hatte.
1903 brach sie erneut nach Paris auf. Paris bedeutete für sie ungebundene Freiheit. In den Impressionisten fand sie Gleichgesinnte und Vorbilder. Es folgten weitere Parisaufenthalte 1905 und 1906, die als Versuch angesehen werden können, in die Kunst zu entkommen. Worpswede ist Paula Modersohn-Becker zu klein und philisterhaft geworden. Sie lebt dort isoliert und ohne Anerkennung. In der Ehe steigern sich die Konflikte. Die Biografin schreibt: "Diesmal wollte sie ihren Aufenthalt nicht nur zu künstlerischem Fortkommen nutzen, sondern sich auch Klarheit über ihre aus dem Gleichgewicht geratene Beziehung zu Otto Modersohn verschaffen." Im Frühjahr 1907 reiste das Paar, sie war schwanger und hatte von ihrem Mann das Versprechen eines größeren Ateliers erhalten, zurück nach Worpswede. Drei Wochen nach der Geburt der Tochter Mathilde starb die Malerin an einer Lungenembolie.
Christa Murken ist eine profunde Kennerin von Leben und Werk Paula Modersohn-Beckers. Ihre Publikation "Modersohn-Becker, Leben und Werk" aus dem Jahr 2000 wurde komplett überarbeitet und aktualisiert. Sie beschreibt sensibel die verschiedenen Aspekte ihres Lebens sowie ihres Werkes. Zu den dreißig Selbstbildnissen merkt sie an: "Sicherlich bedeuteten diese Ich-Darstellungen für Paula Modersohn-Becker gleichsam eine Notwendigkeit, gerade weil sie im Leben als Künstlerin keine Annerkennung gewinnen und mit niemandem, außer mit Otto Modersohn, ernsthaft ihre künstlerischen Vorstellungen diskutieren konnte." Paula Modersohn-Beckers werden stark von matriarchalisch-weiblichen Vorstellungen bestimmt. Die symbolische Sprache, die in ihren Bildern enthalten ist, verändert sich im späteren Oeuvre in ein archetypisches Erfassen von sich selbst und der sie umgebenden Natur. Die Themen sind häufig Fruchtbarkeitsvorstellungen, Mutter und Kind, das bäuerliche Leben, ernste Portraits, Figuren in der Landschaft. Sie spiegeln mit erdigen Farben den Bezug zur "Muttererde" wider. Der empathische beseelte Blick auf Personen und Gegenstände/ Motive berührt uns auch heute noch und lässt die Intensität in der Empfindung der Malerin spüren.
Zur Autorin: Christa Murken nach dem Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Psychologie promovierte 1990 über die österreichische Malerin Maria Lassnig. Mitarbeiterin an der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen. Zahlreiche Veröffentlichungen zur Kunst- und Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts. Sie publizierte seit 1980 verschiedene Bücher, darunter: Barfuß in der Kunst – Moderne Malerei anschaulich erklärt, Münster 1980; ihre erste grundlegende Publikation zu Paula Modersohn-Becker erschien 1980 im DuMont Verlag; Prozesse der Freiheit. Vom Expressionismus bis zur Soul and Body Art, Köln 1985 (zusammen mit ihrem Sohn Axel H. Murken). Paula Modersohn-Becker, Kinderbildnisse, Ostfildern 2004. Christa Murken lebt als freie Autorin, Malerin und Verlegerin in Herzogenrath bei Aachen. Weitere Informationen: www.christamurken.de
AVIVA-Tipp: Das Standardbuch zu Paula Modersohn-Becker bietet einen guten Einstieg in die Beschäftigung mit dem Leben und Werk einer Malerin. Es ist eine gute Vorbereitung für die anstehenden Ausstellungen im Herbst 2007.
Lesen Sie auch unsere Rezension zur Veröffentlichung von Barbara Beuys, "Paula Modersohn-Becker".
Christa Murken
Paula Modersohn-Becker
Leben und Werk.
Dumont Literatur U. Kunst Verlag, erschienen März 2007
Gebunden, 149 Seiten, 110 Abbildungen, davon 80 in Farbe.
ISBN: 383217768X
EAN: 9783832177683
24,90 Euro